Mythen und Irrtümer über den GmbH-Verlustvortrag

Die Gesellschafter und Geschäftsführer von GmbHs müssen seit dem Jahr 2008 genau aufpassen, wenn steuerliche Verlustverrechnungen nicht verloren gehen sollen.

Dies kann zum Beispiel dann passieren, wenn Gesellschaftsanteile verkauft werden und zuvor keine ausreichenden steuerlichen Überlegungen mit einem Steuerberater angestellt werden.

Was ist überhaupt ein Verlustvortrag und warum gibt es diesen?

Der Verlustvortrag einer GmbH kann schon dadurch ersatzlos untergehen, wenn mehr als ein Viertel der Gesellschaftsanteile innerhalb von fünf Jahren den Eigentümer wechseln, sei es durch Verkauf, oder auch Schenkung im Wege vorweggenommener Erbfolge.

Wann liegt ein solcher Übergang von GmbH-Anteilen vor?

Die Regeln sind so streng ausgestaltet, dass es sich nicht mal um einen Verkauf der tatsächlichen Anteile handeln muss. Auch wenn die Anteile nicht den Besitzer wechseln, sondern lediglich Stimmrechte in der Gesellschaft übergehen, ist der steuermindernde Verlust unwiederbringlich futsch. Weder der Verkauf noch der Kauf von Anteilen einer Handwerkergesellschaft sollte deshalb ohne Rücksprache mit dem Steuerberater erfolgen. Die Details der Vorschrift sind überwältigend.

Wie genau sind die nominalen Grenzen und warum bestehen diese?

Grundsätzlich steht hinter der Idee, dass Verluste nicht mehr abzugsfähig sind, wenn zu viele Anteile übertragen werden, der Grundgedanke der Unternehmeridentität. Bis 2008 galt daher die alte Regel, dass Verlustvorträge jedenfalls dann nicht untergehen, wenn die Gesellschaft nicht ihre Identität durch mehrheitlichen Wechsel der Gesellschaftsanteile verliert, der Unternehmer hinter der GmbH also (mehrheitlich) derselbe bleibt. Konsequenterweise wurde diese Grenze bei 50% festgemacht, so dass nach alter Regelung gar keine Verlustvorträge verloren gingen, wenn weniger als 50% der Anteile den Besitzer wechselten.

Die Mißbrauchsquote durch kreative Steueroptimierung in den 90gern und frühen 2000er Jahren war dem Gesetzgeber jedoch zu hoch, denn in dieser Zeit fand ein reger Handel von Mantel-GmbHs statt, bei denen für einen Verlustvortrag von 100.000,- Euro z.B. 8.000,- Euro gezahlt wurden. Der aufkaufende Unternehmer durfte zwar nur 49% erwerben, hatte bei den nächsten 100.000,- Euro Gewinn jedoch den Vorteil keine Steuern zahlen zu müssen.

Nach der Unternehmenssteuerreform 2008 wird die bisherige Regelung in § 8 Abs. 4 KStG nun durch eine neue Verlustabzugsbeschränkung in  § 8c KStG ersetzt. Relevant für die Verlustabzugsbeschränkung ist künftig ausschließlich ein qualifizierter Anteilseignerwechsel, wonach nun die deutlich strengere Regel gilt, dass innerhalb von fünf Jahren nicht 50% oder mehr der GmbH-Anteile verkauft werden dürfen, denn dann ist der Verlustvortrag in voller Höhe verloren.

Für Anteilsübertragungen zwischen 25% und 50% gilt eine proratarische Grenze: Wechseln beispielsweise 35 Prozent der Anteile den Besitzer, sind auch 35 Prozent des Verlustvortrages verloren. Werden 45 Prozent der Anteile verkauft, gehen 45 Prozent des Verlustvortrages unter. Bei Anteilsübertragungen von weniger als 25% bleibt dagegen der gesamte Verlustvortrag bestehen.

Die 5-jahres-Grenze findet sich übrigens an keiner Stelle im Gesetz, vielmehr berufen sich die Finanzbehörden auch im Jahr 2015 noch auf das BMF-Schreiben vom 16. April 1999, das diese Frist von 5 Jahren vorsieht. Nach alter Rechtslage war in diesem Zeitraum die Zuführung neuen Betriebsvermögens zu prüfen, was nach neuer Rechtslage ab 2008 entfällt. Die BFH-Rechtsprechung hat die 5-jahres Grenze eigentlich überholt, denn danach ist eine Prüfung im Einzelfall hinsichtlich einer von vorneherein geplanten Handlungsweise des Übernehmers (sog. Gesamtplanbetrachtung) zu prüfen.

Bei mehreren Anteilerwerben beginnt die Fünfjahresfrist mit dem Tage des ersten Anteilserwerbes und endet mit dem entsprechenden Tag nach fünf Jahren. Die mehreren Anteilserwerbe werden innerhalb der Fünfjahresfrist zusammen gerechnet. Solange die 25 %-Grenze nicht überschritten ist, bleiben die Erwerbe unschädlich.

Was sind die wirtschaftlichen Folgen dieser neuen Gesetzgebung?

Aus der Unternehmenssteuerreform 2008 folgt die unglückliche Situation, dass ein Unternehmer mit schlechter Geschäftsentwicklung in der Vergangenheit, der zur Stärkung des Eigenkapitals einen neuen Anteilseigner mit Geld aufnehmen möchte, tunlichst nicht mehr als 24,9% der Anteile an diesen abgeben sollte, damit er nicht als zusätzlichen negativen Dämpfer auch noch seinen Verlustvortrag (anteilig) verliert.

Diese Regelung führt seit 2008 in der Praxis leider teilweise dazu, dass die Investitionsbereitschaft in Turn-Around-Projekten zusätzlich abgenommen hat, weil ein neu hinzutretender Gesellschafter seine frisch investierten Mittel nicht mittelbar dem Finanzamt zuführen möchte sondern diese in der Gesellschaft haben möchte. Verliert eine mit 40.000,- € bewertete GmbH z.B. durch hinzutreten eines 50%-Gesellschafters (der für seine 50% dann 20.000,- Euro einlegt) einen Verlustvortrag von 100.000,- Euro , entspricht dies langfristig betrachtet einem Steuerschaden von grob 30.000,- Euro, also sogar mehr, als durch den neuen Gesellschafter investiert wurde. Der einzige Vorteil, der durch eine solche Investition noch besteht, ist dann, dass zunächst wieder Geld in der GmbH vorhanden ist. Langfristig belohnt wird der Investor für sein risikoreiches Investment in einer zuvor Verluste schreibende GmbH aber nicht, denn sobald mit diesem Investment 100.000,- Euro Gewinn erwirtschaftet wurden, sind mehr als die 20.000,- Euro wieder weg.

Gibt es Ausnahmen von dieser Regel?

Ja, aber diese sind bereits überholt bzw. zur Zeit nicht anwendbar:

Die Finanzverwaltung hatte aus Billgkeitsbetrachtungen seit einigen Jahren in einem entsprechenden BMF-Schreiben Ausnahmen niedergelegt (BMF-Schreiben vom 27. März 2003, BStBl. I 2003, 240). Mit dem Bürgerentlastungsgesetz und dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hatte der Gesetzgeber dann zudem in § 8c Abs. 1a KStG eine Sanierungsausnahme geschaffen: Verlustvorträge sollten trotz schädlicher Anteilsübertragung (ab 25%) dann nicht untergehen, wenn (1) der Beteiligungserwerb zur Sanierung der Gesellschaft erfolgt, die (2) wesentliche Betriebsstruktur erhalten bleibt und (3) kein Branchenwechsel innerhalb der nächsten fünf Jahre statt findet.

Die Sanierungsklausel ist jedoch durch Beschluss des Europäischen Gerichtshofes nun endgültig zurückgewiesen worden. Damit hat die in 2011 erfolgte Nichtigerklärung der deutschen Beihilferegelung durch die Europäische Kommission (vorläufig) Bestand.

Der EuGH entschied nun (EuGH-Urteil vom 18. Juli 2013 (C-6/12), dass die bei einem Wechsel der Anteilseigener vorgesehene finnische Ausnahme vom  generellen Verlustverrechnungsverbot eine staatliche Beihilfe darstellt, wenn der Behörde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ein weiter Ermessensspielraum zusteht. Andererseits könne aber eine solche Ausnahme durch das eng gesteckte Ziel des Verbots des Handels mit Verlustvorträgen gerechtfertigt sein. Die Einzelheiten hierzu muss nun das vorlegende finnische Gericht anhand der dortigen rechtlichen Gegebenheiten prüfen. Der Fall ließ sich passgenau unter § 8c Abs. 1a KStG subsumieren. Zudem hatte sich die Kommission bereits in 2011 bereits ausdrücklich zur unzulässigen Beihilfequalität der deutschen Sanierungsklausel geäußert.

Ist der Handel mit GmbH-Verlustvorträgen seit 2008 auch tatsächlich eingebrochen?

Klare Antwort: Ja!

Einerseits ist mit dem neuen 8c KStG die Schwelle mit 25% derart niedrig, dass für eine vollständige Nutzung 75% der Anteile fü 5 Jahre beim alten Gesellschafter bleiben müssen, was auch durch Gestaltungen nicht zu umgehen ist.

Zweitens sind seit 2007 auch mittelbare Anteilsübertragungen erfasst, so dass auch die Veräußerung der Konzernmutter entsprechende Verrechnungsbeschränkungen auslöst.

Drittens hat sich für den Steuerpflichtigen die Beweislast umgekehrt, so dass er im Zweifel beweisen muß, dass keine steuerliche Gestaltung vorliegt.

Insgesamt ist damit das Risiko derart groß geworden, dass steuerliche Gestaltungen nicht durchführbar sind, dass für die Verkäufer keine attraktiven Preise mehr erzielt werden können.

Die haben eine GmbH mit Verlustvortrag und möchten diese trotz der bekannten gesetzlichen Hürden verkaufen?

Wir stellen gerne einen Kontakt zu der kleinen Gruppe verbliebener Käufer her. Bitte schildern Sie uns in einer Email an info (at)gmbh-verlustvortrag.de kurz Ihren Fall mit folgenden Infos:

Wir behandeln Ihre Angaben natürlich vertraulichem und benötigen beim ersten Kontakt weder den Firmennamen noch weitergehende Daten von Ihnen.